Citymanager im Interview: «Wir haben natürlich einen Riesenstrauss an Ideen»

May 6, 2023

Der Leiter der «Koordinationsstelle für Innenstadtentwicklung» ist seit dieser Woche an der Arbeit. Der neue Schaffhauser Citymanager sagt, was nun als Nächstes passiert und reagiert auf die Kritik gegen ihn.

Herr Ottiger, seit dieser Woche üben Sie das Mandat als Innenstadtentwickler aus, im Volksmund Citymanager genannt. Was haben Sie als Erstes getan?

Lukas Ottiger: Wir von Leap of Faith haben natürlich schon vor diesem Starttermin mit den verschiedensten Akteuren Gespräche geführt, das Netzwerk aufgebaut. Es ging zuerst darum, sich kennenzulernen. Einen ersten Anlass wird es nun Ende Mai geben.

Was ist dies für ein Anlass und wer nimmt daran teil?

Dort werden wir unsere Ideen konkretisieren, aber auch die Ideen aus dem Kreis der Innenstadtakteure besprechen. Dazu gehören der Gewerbeverband, Pro City, Schaffhauserland Tourismus, die Einwohnervereine und die Wirtschaftsförderung. Mit weiteren Akteuren, wie etwa Vertretern des Nachtlebens, nehmen wir in den nächsten Tagen Kontakt auf. Es werden am ersten Treffen etwa 16 Personen sein. Wir hoffen, dass wir dann vor den Sommerferien bereits an die Medien treten können und erste Ergebnisse präsentieren.

Es ist demnach ein Start auf eher leisen Sohlen. Es gibt weder eine Website noch eine öffentliche Info, was jetzt passiert …

Es ist der Wunsch der Stadt, dass als Erstes alle Partner zusammenkommen, die 2015 die Strategie beschlossen haben. Es geht nicht darum, uns als Auftragnehmer gross herauszubringen: Wir sind die Koordinationsstelle, wir leiten jetzt einen Prozess ein, der die Innenstadt entwickeln und weiterbringen soll, und wollen dann gemeinsam mit den Akteuren an die Öffentlichkeit treten.

Wie geschlossen ist dieser Kreis? Haben auch ganz normale Bürgerinnen und Bürger eine Chance, sich einzubringen?

Ja, klar. Wir haben immer ein offenes Ohr und sind dankbar für jeden Input.

Nachdem Ende März Ihre Agentur Leap of Faith (LoF) von der Stadt das Mandat erhalten hat, gab es heftige Kritik im Stadtparlament, dem Sie als GLP-Grossstadtrat angehören. Hat Sie das überrascht?

Nur insofern, von welcher Seite die Kritik kam. Sollte sich ein Gewerbler, der in der Politik ist, nicht auf öffentliche Aufträge oder Ausschreibungen bewerben? Ein Inhaber einer Baufirma zum Beispiel, da hat ja auch niemand etwas dagegen und da geht es oft um bedeutend mehr Geld. Ich bin übrigens nicht Inhaber der Agentur LoF, sondern von ihr im Teilzeitpensum angestellt.

Aber als Ratspolitiker sind Sie Partei. Die Bürgerlichen sagen, es drohten Interessenskonflikte …

Wir sind ein Milizparlament und ich kann gut zwischen meiner politischen Tätigkeit und der beruflichen unterscheiden. Tatsächlich gab es nur von der bürgerlichen Seite im Ratssaal Kritik, in der Bevölkerung und auch von vielen Ratspolitikern habe ich positive Reaktionen erhalten. Und die Stimmung unter den genannten Akteuren ist ebenfalls sehr gut, wir freuen uns alle, jetzt gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten.

Die Stadt hat gestern zwei hängige Vorstösse dazu beantwortet. Soll der Stadtrat nicht auch den Jurybericht veröffentlichen?

Aber sicher. Wir haben nichts zu verstecken.

Es gab nur zwei Bewerber. Auf Insistieren dieser Zeitung hat die Stadt öffentlich gemacht, wer die zweite Firma war: das lokal ansässige Büro für Stadtentwicklung Dost. Hat Sie erstaunt, dass es nur zwei Bewerber gab?

Ja. Ich finde es eine sehr attraktive Herausforderung und es gäbe ja auf dem Platz Schaffhausen noch weitere Firmen und Personen, die das hätte interessieren können. Was mich vor allem überrascht hat, ist, dass sich nicht schweizweit in der Innenstadtentwicklung etablierte Agenturen beworben haben.

Inwiefern mussten Sie in der Bewerbung mit konkreten Lösungsideen punkten?

Wir haben sehr stark darauf fokussiert, wie wir den Prozess gestalten wollen und die Akteure abholen wollen. Es geht jetzt nicht mehr darum, die Probleme zu sehen, sondern in Lösungen zu denken. Und wir haben deutlich gemacht, dass wir zusammen mit ihnen recht schnell in die konkrete Umsetzung von Massnahmen gehen wollen. Aber welche konkret das sind, werden wir nun zusammen mit den Partnern festlegen.

Sie mussten keine konkreten Ideen präsentieren?

Wir haben natürlich einen Riesenstrauss an Ideen. Und haben uns auch in anderen Städten umgesehen, die in der Innenstadtentwicklung schon weiter sind als Schaffhausen. Sehr interessant war, in den vergangenen Wochen zu sehen, wie viele sehr gute Ideen in der Bevölkerung und bei den involvierten Verbänden schon vorhanden sind. Die Liste wächst täglich …

Geben Sie uns ein paar Kostproben?

Ich kann verstehen, dass es jetzt eine gewisse Ungeduld gibt, aber es bringt nichts, im Voraus 50 Ideen und Massnahmen auf den Tisch zu knallen. Wir wollen jetzt zuerst alle Akteure an den Tisch bringen. Denn sie sind es ja, die konkrete Vorhaben mit uns umsetzen und sie auch mitfinanzieren sollen. Wie gesagt, ich bin zuversichtlich, dass wir schon bald sehr coole Sachen präsentieren können.

Wo setzen Sie die Schwerpunkte?

Wir haben drei Handlungsfelder aufgezeigt. Erstens ist es wichtig, die Innenstadt zu beleben, wie es das Zielbild verlangt. Zweitens den Handel aktivieren, das heisst dafür zu sorgen, dass die Leute länger in der Stadt verweilen, die Frequenzen gesteigert werden können und die Aufenthaltsqualität steigt. Und drittens geht es darum, die Leerstandsquote zu senken.

Wie messbar sind diese Ziele?

Das Zielbild Innenstadtentwicklung sagt klar dass die Altstadt als Zentrum für Einkaufen, Gastronomie und Kultur gestärkt werden soll, ein Magnet für Besucher und Treffpunkt für die lokale Bevölkerung wird und ein lebendiges und lebenswertes Quartier mit lebendigen sowie ruhigen Orten bleibt. Nach dem zweijährigen Pilotversuch werden wir uns daran messen lassen, wie wirksam unsere Ideen dazu beigetragen haben, diese Ziele zu erreichen.

In den «Schaffhauser Nachrichten» vom 6. April haben einige Fachleute bereits umrissen, was sie sich vom Citymanager erhoffen. Er solle ein Dirigent sein, oder ein Choreograf. Sehen Sie das auch so?

Natürlich, und ich bin froh, mit meinen beiden Mitstreitern Roger Staub und Christoph Eschmann ein Team zu bilden, das einen gut gefüllten Rucksack mitbringt, wenn es heisst, zu vermitteln, Leute zu motivieren, Netzwerke zu pflegen und auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.

Das Angebot besser sichtbar machen ist eines der grossen Anliegen. Braucht es mehr Publizität, eine Stadt-App, oder gar ein «Ron Orp» für Schaffhausen, wie ein Experte sagte?

Man kann nicht Dinge, die in Zürich funktionieren, eins zu eins in Schaffhausen anwenden. St. Gallen hat gerade eine sehr visible Imagekampagne gestartet, das ist spannend. Aber auch hier: Sich jetzt schon auf eine Kampagne zu versteifen und sogar schon einen Slogan zu kreieren, wäre falsch. Das muss man gemeinsam entwickeln, denn so etwas funktioniert nur, wenn es authentisch ist, also wenn sich die Akteure und die Bevölkerung damit identifizieren können. Sie wissen am besten, was möglich und sinnvoll ist.

Bei einer SN-Umfrage und einer Untersuchung von Pro City trat klar zutage, dass der Erhalt von Aussenparkplätzen in der Innenstadt sehr erwünscht ist. Als grünliberaler Grossstadtrat sind Sie selber nicht gerade als Parkplatzfreund aufgefallen …

Als Mittepolitiker stehe ich zwischen jenen, die am liebsten alle Parkplätze abschaffen wollen, und jenen, die laut aufschreien, wenn ein Parkplatz abgebaut wird. In meinem Postulat fordere ich ja einen Kompromiss. Und ich sage: so wenig motorisierter Verkehr in der Stadt wie möglich, aber so viel wie nötig. Die Frage ist auch, wie wir das Parkieren in den Parkhäusern attraktiver machen können.

Ihre Konkurrenz von der Firma Dost hatte beabsichtigt, in der Altstadt eine Anlaufstelle einzurichten. Planen Sie etwas Ähnliches?

Im Moment arbeite ich aus dem Homeoffice und als digitaler Nomade in der Altstadt. Ob wir in der Innenstadt zu fixen Zeiten präsent sein werden, wird sich bald zeigen. Es kann gut sein, dass ich auch mal mit dem Laptop in einem Café sitze. Da kann man mich dann ruhig ansprechen. (lacht)

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