Lädelisterben in Schaffhausen

February 11, 2023

Eine «Koordinationsstelle Innenstadtentwicklung» soll künftig das Gewerbe in der Altstadt unterstützen. Dies beantragt der Stadtrat im Budget 2023. In anderen Städten gibt es die Stelle bereits – und deren Arbeit scheint zu fruchten.

Am Sonntag stimmt die Stadt Schaffhausen über das Budget 2023 ab. In diesem beantragt der Stadtrat 240'000 Franken für die Schaffung einer «Koordinationsstelle Innenstadtentwicklung», auch City Management genannt. Diese hat die Aufgabe, die Altstadt als Einkaufsort wieder ­attraktiver zu machen – also beispielsweise Konzepte zu erarbeiten, wie Leerstände vermieden werden können. In Aarau gibt es eine solche Stelle bereits seit 2020, besetzt ist sie von Romana Waller. «Ursprünglich war die Stelle auf drei Jahre befristet. Die Rückmeldungen der verschiedenen Anspruchsgruppen und der Trägerschaft haben dazu geführt, die Funktion unbefristet zu etablieren», sagt Waller. Und auch in Rheinfelden (AG) gibt es seit 2020 eine City Managerin: Corinne Caracuta. «Ich erhalte viel Zuspruch für meine Arbeit», sagt sie. Sie werte es als positiv, dass viele Gewerbler oder Liegenschaftsbesitzende proaktiv mit ihren Anliegen auf sie zukämen.

Es scheint, als würde die Arbeit der City Managerinnen fruchten. Erkennen könne man dies an der positiven Entwicklung der Leerstände und Neueröffnungen sowie an Besucherfrequenzen. Waller sagt aber auch, eine solche Stelle müsse sich zuerst etablieren. Es gelte, die unterschiedlichen Interessen von Stadt, Gewerblern, Kultur und auch Besucherinnen und Besuchern sowie Anwohnern zu berücksichtigen. «Die Aufgaben sind sehr vielfältig, und es braucht klare Zielsetzungen.»

Alles möglichst online auffindbar

Und was konnten die beiden in drei Jahren bereits bewirken? Waller liefert ein paar Beispiele umgesetzter Projekte für Aarau. So seien erstmals alle Erdgeschossflächen in der Innen- und Altstadt erfasst worden. Dies helfe dabei, den Austausch zwischen Eigentümern, Mietern und Interessenten zu unterstützen und zu fördern. «Es konnten bereits mehrere Flächen erfolgreich vermittelt werden», so Waller. Auch Caracuta bildete in Rheinfelden alle Gewerbeflächen ab und jene Flächen des öffentlichen Grundes, die verfügbar waren, und erarbeitete daraus einen Plan.

«Ja, das Lädelisterben kann man aufhalten, davon bin ich überzeugt.»
Corinne Caracuta, City Managerin Rheinfelden

Waller initiierte neue Events wie den «Chlausauszug» im Dezember. Dieser habe vergangenes Jahr bereits zum zweiten Mal stattgefunden. Weiter wurde eine «Arty Show» lanciert, bei der teilnehmende Läden Kunst in ihren Schaufenstern ausstellten, und es wurden «Schwatzbänkli» zur Förderung des Austauschs aufgestellt. Solche Bänkli stehen auch bereits in Luzern, und auch in Schaffhausen wurde das Thema bereits aufs Parkett gebracht. Grossstadtrat Urs Tanner (parteilos) erkundigte sich in einer Kleinen Anfrage nach der Möglichkeit, solche Bänkli aufzustellen.

Caracuta legte ihren Fokus auf die Onlinewelt. «Alle Angebote und Erlebnisse sollen online sichtbar sein sowie rasch und zentralisiert gefunden werden können», sagt Caracuta. Als Beispiel nennt sie dazu den «Rheinfelder Gutschein», mit dem man bei diversen Geschäften in der Stadt bezahlen könne – das Schaffhauser Pendant dazu ist der «Pro City Gutschein». Der «Rheinfelder Gutschein» könne neu auch online gekauft, aufs Handy geladen oder per Postkarte versendet werden.

«Leidenschaft für die Stadt»

Doch kann man das «Lädelisterben» überhaupt aufhalten? «Ja, davon bin ich überzeugt», sagt Caracuta. Basis dafür seien die Online-Sichtbarkeit aller Angebote, konsi­stente Öffnungszeiten der Läden und Gastronomiebetriebe sowie regelmässige Events und Anlässe. Letztere würden die Bekanntheit steigern und Besuchenden ein Erlebnis bieten. Solche Events wurden auch in Schaffhausen bereits veranstaltet, beispielsweise das Baustellenfest in der Stadthausgasse im vergangenen September oder das Night-Shopping zur Einschaltung der Weihnachtsbeleuchtung. Romana Waller ist in ihrer Antwort etwas zurückhaltender. «Das Einkaufs- und Konsumverhalten, die Bedürfnisse, aber auch die Erwartungen der Besucher haben sich in den letzten Jahren stark verändert.» Dies gehe über das eigentliche Einkaufserlebnis hinaus. «Das Verhindern des Lädelisterbens liegt nicht einzig in den Händen eines City Managers.»

Die City Managerinnen und -Manager können auch voneinander lernen, man stehe im Austausch, so Caracuta. «Die Funktion des City Managements ist noch jung, aber mittlerweile haben verschiedene mittelgrosse oder kleinere Städte den Mehrwert erkannt.» Die zukünftige City Managerin oder der City Manager von Schaffhausen kann sich also für Tipps an Kolleginnen wenden. Um den Posten übernehmen zu können, braucht es laut Waller vor allem eines: «Leidenschaft und Engagement für die Stadt.»

Auch Kuoni geht

Das Möbelgeschäft Depot zieht vom Fronwagplatz in die Vorstadt 33 – dorthin, wo sich das Schuhgeschäft Ochsner Shoes befand. Somit bleibt am Fronwagplatz vorerst ein leeres Geschäft mit mehreren Stockwerken zurück.

Laut der Website «Immoscout24» sind in der Stadt zehn Ladenflächen ausgeschrieben. Darunter auch die­jenige des Reisebüros Kuoni. Der ­Reiseanbieter wird das Haus zur Granate laut Inserat auf Sommer/Herbst verlassen.

Auch das ehemalige Modehaus Ehr- bar an der Bachstrasse steht weiterhin leer, genauso wie die einstige Ladenfläche des Bekleidungsgeschäfts WE oder die ehemalige Filiale des Büchergeschäfts Lüthy Schoch an der Vordergasse. Lüthy Schoch – zuvor Bücher Schoch – ist in eine grössere Filiale in der Vorstadt ge­zogen.

Die Liste der Leerstände geht noch weiter und ist auch in der Politik ein Thema. Für die laufende Legislatur hat der Stadtrat dazu einen Schwerpunkt festgelegt: «lebendige und familienfreundliche Stadt». Es soll ein City Manager engagiert, öffentliche Räume wie der Herrenacker aufgewertet und Veranstaltungen ermöglicht werden (siehe oben). Zudem soll es ein Pop-up-Konzept für temporäre Begegnungs- und Verweilorte im öffent­lichen Raum geben. Grossstadtrat Marco Planas (parteilos) forderte derweil die Senkung von Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Raums für Gewerbler. Solche fallen beispielsweise bei der Boulevardgastronomie oder auch beim Aussenverkauf im Detailhandel an. Der Gebührentarif dafür werde zurzeit im Rahmen eines Gesamtprojektes überarbeitet, so der Stadtrat.

Doch wenigstens in eines der leeren Geschäfte dürfte schon bald neues ­Leben zurückkehren: nämlich in die Depot-Filiale am Fronwagplatz.

Das Gebäude steht im Besitz der Migros-Pensionskasse (MPK). Laut Reto Schär, Leiter Immobilien MPK, entstehen in den oberen Etagen «meh­rere grosszügige Altstadtwohnungen» und eine grössere Bürofläche. Im Erdgeschoss werde weiterhin eine gewerbliche Nutzung stattfinden. Aber: «Da der Mietvertrag noch nicht unterzeichnet ist, kann der Mieter noch nicht bekannt gegeben werden.»

Bei der ehemaligen Ladenfläche des Büchergeschäfts Bücher Schoch an der Vordergasse ist die Ausgangslage noch weniger klar. «Hier beginnt Ihre erfolgreiche Zukunft», steht auf einem Schild vor dem Eingang. Die Ladenfläche von 150 Quadratmetern ist noch ausgeschrieben.

Wie geht's weiter beim Manor?

Nachdem bekannt wurde, dass das Warenhaus Jelmoli in Zürich Ende 2024 schliesst, kam die Frage auf: Sind auch andere Warenhäuser in Gefahr? Vergangene Woche wurde zudem gemunkelt, dass Manor die Besitzer wechseln würde. Die Pressestelle schreibt auf Anfrage: «Wir beziehen dazu keine Stellung.» Auch dazu, ob der Standort Schaffhausen weiterhin bestehen bleibt, sagt die Pressestelle lediglich, sie kommentiere keine Standortfragen.

«Das Einkaufs- und Konsum­verhalten hat sich in den letzten Jahren stark verändert.»
Romana Waller, City Managerin Aarau

Klar ist aber, dass sich der Manor in Schaffhausen neu strukturieren muss, zumindest in der Elektronikabteilung. Denn die französische Einzelhandelskette Fnac, die erst im April 2022 im dritten Stockwerk von Manor eine Filiale eröffnet hatte, schliesst bereits bald wieder. Insgesamt sind zehn «Shop-in-Shop»-Filialen mit rund 60 Mitarbeitenden von der Schliessung betroffen. Der Grund: Fnac wolle sich wieder auf die Westschweiz konzentrieren.

Quelle: