Lädelisterben: Noch viel zu tun bei der Altstadtentwicklung

January 8, 2020

Die Stadt Schaffhausen kommt im nationalen Städtevergleich schlecht weg. Unternimmt man in der Munotstadt genug, um attraktiv zu bleiben? Der Stadtpräsident sagt klar: Ja.

Die Bewertung des Einkaufs- und Gastronomieangebots in der Schaffhauser Altstadt ist ungenügend. So lautete das Resultat einer Studie der Universität St. Gallen und der Kommunikationsagentur Jung von Matt/Limmat. Schaffhausen ist aber nicht alleine, wenn es um das rückläufige Einkaufsangebot in der Altstadt geht. Schweizweit ist vom «Lädelisterben» die Rede, selbst die grossen Städte sind nicht gefeit vor Ladenleerständen. Gegenüber 2009 existierten Ende 2019 landesweit rund 3000 Detailhandelsgeschäfte weni-ger. Dies zeigte kürzlich eine Studie des Informationsdienstleisters Crif. Im Kanton Schaffhausen wurden in diesem Zeitraum 303 Löschungen von Detailhandelsgeschäften verzeichnet. Dem stehen 265 Neugründungen entgegen. Netto ging die Zahl der Detailhandelsgeschäfte im Kanton also deutlich zurück. In den vergangenen zehn Jahren gestiegen ist die Zahl der Geschäfte nur in den Kantonen Tessin, Luzern, Aargau, Freiburg, Schwyz, Obwalden und Zug, so die Studie. Interessant ist, dass der Kanton Tessin trotz seiner Grenzlage das grösste Wachstum aller Kantone verzeichnet.

Schaffhausen schneidet im Vergleich zu Kantonen mit ähnlicher Grösse aber relativ gut ab. Für Stadtpräsident Peter Neukomm (SP) ist klar, woran das liegt. «Die Stadt verfügt über ein sehr attraktives Stadtzentrum mit einer hohen Aufenthaltsqualität, kurzen Wegen und einer gut erhaltenen, mittelalterlichen Altstadt», sagt er. Doch das Resultat der Crif-Studie täuscht nicht über die immer wieder leer stehenden Verkaufsflächen inmitten der Altstadt hinweg. «Die Grenznähe, der Onlinehandel und das sich verändernde Einkaufsverhalten machen dem Detailhandel zu schaffen.» Hinzu kämen die zum Teil hohen Ladenmieten. Leider stehe deshalb immer mal wieder ein Geschäft vor dem Aus, so Neukomm.

Strategie mit vielen Zielen

In der Sitzung des Grossen Stadtrats vom 10. Dezember 2019 entbrannte rund um Christian Ulmers Postulat «Schaffhauser Altstadt als Lebensraum erhalten» eine politische Diskussion über die Attraktivität der Altstadt als Wohn- und Einkaufsort. In seiner Stellungnahme betonte Neukomm damals, dass der Stadtrat sich seiner Verantwortung für die Altstadt bewusst sei. Er erwähnte ein Projekt, mit dem 2020 die Leerstände bekämpft werden sollen. Getragen wird es vom Verein für Zwischennutzung, die Stadt unterstützt die Initiative finanziell. Die Verantwortlichen wollen noch diesen Monat kommunizieren, heisst es dort auf Anfrage.

Diverse Ideen zur Altstadtentwicklung, die aktuell diskutiert werden oder in den letzten Jahren realisiert wurden, finden sich in einem Strategiepapier aus dem Jahr 2015. Darin haben sich der Stadtrat und die Detaillistenvereinigung Pro City eine kooperative Entwicklung der Innenstadt vorgenommen sowie verschiedene Massnahmen festgelegt. An den zugehörigen Workshops nahmen Detaillisten, Gastronomen, Hoteliers, Bankvertreter und Verwaltungsmitarbeitende teil. Vier Jahre nach der Publikation stellt sich die Frage: Was wurde alles erreicht?

Eine zentrale Massnahme: eine engere Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Vereinigungen, die sich für die Interessen der Altstadt einsetzen. Zwar arbeiten die unterschiedlichen Organisationen wie Pro City und der Gewerbeverband zusammen. Doch die Zahl der Vereinigungen ist in den vergangenen Jahren noch grösser geworden. So hat sich etwa der Verein Pro SH gegründet, hinter dem Stars-in-Town-Festivaldirektor Adrian Brugger steht. Hat man das Ziel, enger zusammenzuarbeiten, verfehlt? «Ich bin überzeugt, dass eine Bündelung der Kräfte wichtig ist», sagt Neukomm. «Die Innenstadtakteure sind gefordert, zusammenzustehen – das kann die Stadt nicht erzwingen.»

Neukomm ist überzeugt von der Strategie von 2015: Ihre Entwicklung habe wichtige Denkprozesse ausgelöst. «Leider ist die Umsetzung weniger weit fortgeschritten, als wir uns dies wünschen würden», so der Stadtpräsident, der an der Ausarbeitung des Papiers beteiligt war.

Hohe Ladenmieten, kein Dialog

Regelmässig werden zu hohe Mieten der Verkaufsflächen für die Leerstände und einen eingeschränkten Ladenmix in der Altstadt verantwortlich gemacht. Auch Neukomm sagt: «Weitsichtige und vernünftige Eigentümer bolzen nicht im Erdgeschoss von Altstadthäusern Rendite.» Er wolle die Eigentümer aber nicht zum Sündenbock machen. «Sie sind nicht das Hauptproblem, aber hoffentlich Teil der Lösung.»

Das Strategiepapier hält fest, dass man die Eigentümer stärker in die Innenstadtentwicklung einbinden möchte. Jedoch wurde dieses Thema vor gut vier Jahren mit niedriger Priorität eingestuft. Obwohl die Eigentümer anerkanntermassen eine wichtige Rolle spielen: Eine Plattform für einen Dialog ist nicht absehbar. Die Einbindung der Eigentümer sei zwar ein bedeutendes Thema, so Neukomm. Ein institutionalisierter Dialog sei allerdings schwierig umzusetzen, weil die Landschaft der Eigentümer sehr heterogen sei. Er setzt deshalb darauf, dass bei den Besitzern der Altstadtliegenschaften ein Umdenken stattfindet.

Kommt der City-Manager noch?

Für einen guten Ladenmix und eine insgesamt attraktive Altstadt setzen diverse Städte inzwischen auf einen sogenannten City-Manager. Dieser soll analog einem Manager in einem Einkaufszentrum die Innenstadt als Einkaufsstandort stärken, indem er die Anliegen von Gewerbe, Stadtverwaltung und Bevölkerung zusammenbringt. Auch in Schaffhausen wurde diese Idee schon verschiedentlich diskutiert. Zuletzt hatte Immobilien-Experte Daniel Schlehan in den SN die Schaffung einer entsprechenden Stelle gefordert. Schon im Strategiepapier der Stadt von 2015 tauchte die Idee auf. Neukomm dazu: «Die Idee ist interessant.» Die Frage sei, welche Rolle, Aufgaben und Kompetenzen einem City-Manager übertragen würden. Er mache nur Sinn, wenn sich die Innenstadtakteure zusammenraufen und zu einer engeren Zusammenarbeit bekennen. «Eine grosse Herausforderung ist zudem die Finanzierung», so Neukomm. Er ist nicht sehr optimistisch: «Ich weiss nicht, wie viele Akteure sich beteiligen würden.» Der Stadtpräsident kündigt weiter an, dass die Stadt bis Ende Jahr klären will, welche Rolle die Verwaltung bei diesem Thema spielen soll und wie eine Finanzierung aussehen könnte.

Erledigt: Bänkli und Stadtplan

Diverse Vorhaben wurden in den vergangenen Jahren aber auch umgesetzt. So fand 2019 zum wiederholten Mal eine Sitzbank-Aktion statt. Diese Massnahme wurde in der Strategie zwar mit einer geringen Priorität eingestuft. Sie sei aber einfach um­zusetzen, erklärt Neukomm. «Es ist eine Frage der Machbarkeit.» Letztes Jahr umgesetzt wurde auch eine als prioritär eingestufte Massnahme: ein kreativer Stadtplan. Wie der Stadtpräsident erläutert, wurde ein neuer Stadtplan im Taschenformat sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch produziert. Zudem laufe ein Projekt zur Erneuerung der Signaletik, also der Beschilderung der Altstadt. Angedacht sind neue Stelen im Altstadtbereich. Weiter verweist Neukomm auf die Internetplattform «Einkaufs- und Erlebnisregion Schaffhausen», die Touristen helfe, sich in der Innenstadt zurechtzufinden. Sie wurde 2017 realisiert. «Die Orientierung und Anbindung ist eine Daueraufgabe der Stadt», sagt Neukomm. Dazu gehöre auch, dass man für Rollstuhlfahrer die Befahrbarkeit der Altstadtgassen verbessert habe. Eine hohe Investition sei zudem die Erneuerung und Verbesserung der Beleuchtung des Munots und anderer bedeutender Bauten in der Stadt. «Auch der von der Stadt unterstützte Umzug von Schaffhauserland Tourismus an die Vordergasse in diesem Jahr wird neue Chancen für die Altstadt bringen», ist der Stadtpräsident überzeugt.

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