Lädelisterben: So dramatisch ist die Lage

January 6, 2022

Wer durch die Altstadt läuft, dem fallen besonders in der Vorstadt leere Geschäftslokale auf. Immobilientreuhänder Roy Pagno kritisiert, der Stadtrat mache zu wenig gegen das Lädelisterben. Pro-City-Präsident Ernst Gründler sieht das Problem hingegen bei den zu hohen Mieten.

von Kay Fehr und Andreas Kurz

Der Spaziergang auf der Suche nach dem Lädelisterben in der Schaffhauser Altstadt beginnt am Schwabentor. «Lappi tue d’Augen uf», steht über der Passage, die in die Vorstadt führt. Wo also gibt es leer stehende Geschäfte? Kaum losmarschiert, erscheint bereits ein erstes verwaistes Lokal: Das Ortho-Team ist schon im April 2020 umgezogen an den Walther-Bringolf-Platz. Speziell in der Vorstadt finden sich trotz zentraler Lage einige Läden ohne Verkaufsbetrieb. Der ehemalige Ochsner Shoes hat seine Pforten geschlossen. Auch das Modegeschäft We Fashion steht leer, genauso wie Möbel Pfister.

Es geht weiter in Richtung Fronwagplatz, mit einem Abstecher zum Obertorturm und via Neustadt und Herrenacker in die Vordergasse. Hier stehen nur noch vereinzelte Läden leer. Zum Beispiel das «Haus zur Moosente» am Ende der Vordergasse. Dort sollen in Zukunft mehrere Läden einziehen – wann genau, ist indes noch offen. An der Schifflände endet der Spaziergang schliesslich. Das Fazit: Gut zehn Läden sind nicht besetzt. Einige weitere sind zwar noch dunkel, das dürfte aber in den meisten Fällen mit den Anfang Januar üblichen Betriebsferien zusammenhängen.

Mieten sind Killerkriterium

Die Gründe, warum einige Läden unbesetzt sind, seien sehr individuell, sagt Ernst Gründler, Präsident von Pro City. In einem Fall gebe es Kommunikationsschwierigkeiten mit einem ausländischen Eigentümer.

«Wir haben in der Stadt hohe Mieten und sie werden immer höher.»

Ernst Gründler, Präsident von Pro City

Die Mieten seien aber sicher mitschuldig, dass es einige Läden nicht über die Runden schafften. «Wir haben in der Stadt hohe Mieten, und sie werden immer höher», sagt Gründler. Das sei keine Behauptung, sondern eine Tatsache. Besonders für Erstbezieher sei das ein Killerkriterium. Dazu kämen die ebenfalls hohen Nebenkosten, was zur Folge habe, dass kleine Geschäfte abgeschreckt würden und sich den Standort Schaffhausen nicht leisten könnten.

Dieser Darstellung widerspricht Roy Pagno. «Die Mieten pro Quadratmeter sind bei vielen Verkaufsläden im Erdgeschoss in den letzten Jahren massiv gesunken», sagt der Geschäftsleiter des Immobilientreuhänders IT3. «Zum Teil haben sich die Mietzinse sogar halbiert.» Für die Geschäfte werde die Lage wegen der Corona-Auflagen immer schwieriger, sagt Pagno. Aktuell etwa wegen der Homeoffice-Pflicht. «Viele Büroangestellte sind tagsüber nicht mehr in der Altstadt. Dadurch geht eine enorme Kaufkraft verloren.»

Pagno kritisiert, der Stadtrat unternehme zu wenig gegen das Lädelisterben. In einer Reaktion auf ein Interview von Stadtpräsident Peter Neukomm (SP), schreibt er, es habe seit fast zwei Jahren keine Sitzung mehr mit dem Stadtrat dazu gegeben. Dabei wäre dies laut Pagno auch während der Pandemie per Videokonferenzen problemlos möglich gewesen. «Der Stadtrat hätte die Zeit nutzen können, um vorbereitet zu sein, wenn die Pandemie vorbei ist», sagt er. «Wenn etwas dringend ist und man das wirklich auch so einschätzt, dann macht man nicht zwei Jahre lang nichts.» Stadtpräsident Neukomm wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern.

E-Parkplätze oder gratis Busticket

Um einem drohenden Lädelisterben entgegenzuwirken, brauche es neue Ansätze. Ideen hätte Pagno, der in anderen Städten in der Ostschweiz in Gremien zur Altstadtaufwertung mitarbeite, gleich mehrere. Zum Beispiel soll man ab einem Einkauf von 30 Franken in der Altstadt danach gratis mit dem Bus nach Hause fahren können. So würden mehr Leute das Auto zu Hause lassen und noch einen Beitrag für die Umwelt leisten, wenn sie in der Altstadt einkaufen wollen, sagt Pagno. Eine andere Idee: Die Stadt könnte einige Parkplätze beim Münsterplatz in E-Auto-Parkplätze mit Stromanschluss umwandeln. «Damit würde sie einen grünen Akzent setzen.»

Weiter regt Pagno an, die Sonntagsarbeit liberaler zu gestalten. «Viele gehen am Sonntag gerne in der Altstadt spazieren und allenfalls auch einkaufen. Doch genau dann haben die Läden zu.» Eine Umfrage bei einem Discounter in St.  Gallen habe gezeigt, dass viele Mitarbeiter freiwillig bereit wären, gegen mehr Lohn auch an Sonntagen zu arbeiten. «Wenn ein Laden am Sonntag offen haben will, warum soll er das nicht auch können und dürfen?», fragt Pagno. «Im Ausland ist das längst so.» Man müsse dazu aber den Mut haben, dies einmal zu testen.

Einige Nachmieter stehen bereit

Ernst Gründler möchte nicht von einem Lädelisterben sprechen. «Dass einige Läden schliessen müssen, ist eine normale Entwicklung», sagt Gründler. Für manche der derzeit leer stehenden Geschäfte gebe es bereits Nachmieter. Einer davon soll in die Räume der ehemaligen We Fashion einziehen, ein anderer mietet potenziell den 600 Quadratmeter messenden Laden von Ochsner Shoes. Zudem ist dem Amtsblatt zu entnehmen, dass am Fronwagplatz 13 eine Drogerie einziehen soll.

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