«Über zu hohe Mieten jammern ist ein Ablenkungsmanöver»

July 17, 2019

Immobilienfachmann Daniel Schlehan schlägt vor, in Schaffhausen einen City-Manager anzustellen, der zwischen Detailhändlern, Vermietern und Politik vermittelt sowie Aktionen koordiniert.

Es ist die idyllische Vorstellung einer Altstadt: Jung und Alt flaniert durch die Gassen, Pärchen trinken Kaffee, und Familien erledigen ihre Einkäufe. Die Läden sind von früh bis spät rammelvoll, die Klassen klingeln, und die Ladenbesitzer jubilieren. Die Realität sieht in vielen Schweizer Altstädten aber so aus, dass regelmässig Ladenlokale schliessen und leere Schaufenster so manche Gasse prägen. Auch in der Schaffhauser Altstadt beklagt man Leerstände. Ein Grund dafür ist der Strukturwandel im Detailhandel: Es wird heute vermehrt im Internet eingekauft. Und trotz leicht erstarktem Euro gehen die Leute ins nahe Ausland günstiger einkaufen.

Ist das Schicksal von Altstadtläden also besiegelt? Nein, sagt Immobilienvermarkter Daniel Schlehan. «Es braucht aber schleunigst ein Umdenken und die Zusammenarbeit aller Spieler», betont er. Der Strukturwandel sei unaufhaltsam. «Man kann also nicht das Ziel haben, den Online-Handel schlechtzumachen.» Viel eher müsse man die Veränderungen als Chance nutzen. Und wie? «Wieso soll es etwa nicht ein Abholgeschäft für Produkte eines Versandhändlers geben?»

Für Schlehan ist klar: «Das Problem ist, dass eine Vielzahl von Individualisten am Werk ist.» Man müsse aufhören, nur bis zum eigenen Gartenzaun zu denken. «Niemand will Geld in die Hand nehmen, wenn es um die Attraktivierung der Altstadt geht», sagt Schlehan. Und er stellt etwa auch die konventionellen Ladenöffnungszeiten infrage. «Es geht nicht mehr, einfach einen Laden um 9 Uhr aufzumachen und ihn um 18 Uhr zu schliessen.»

Die Altstadt könne vor allem mit einem punkten: mit dem Erlebnis. Schlehan spricht von Convenience, also Komfort oder Bequemlichkeit. Es müssten Produkte geboten werden, die man nur mit seinen Sinnen erfahren kann: Man muss die Dinge riechen, schmecken oder anfassen können, um sich vom Online-Shopping abheben zu können.

Ein Manager für die Altstadt

Schaffhausen befinde sich im Dornröschenschlaf, so Schlehan. Und damit meint er die Bemühungen, die Altstadt zum Pulsieren zu bringen. Wären denn nicht die Immobilienbesitzer gefordert, die Mietzinsen für Ladenlokale zu senken? «Über zu hohe Mieten zu jammern ist ein Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Problem», sagt Schlehan. «Reduziert ein Vermieter die Miete für einen Ladenbesitzer etwa von 1000 auf 500 Franken im Monat, würde der Händler vielleicht ein Vierteljahr länger überleben.» Schlehan fordert insbesondere grössere Anstrengungen der Politik. «Man müsste sich überlegen, wie man Laden- und Immobilienbesitzern finanziell entgegenkommen könnte», sagt Schlehan. «Etwa mit Steuererleichterungen.»

«Das Problem ist, dass eine Vielzahl von Individualisten am Werk ist.»

Daniel Schlehan, Immobilienexperte

Es brauche eine zentrale Stelle, welche die unterschiedlichen Interessen und Anliegen aufnehme und zwischen den Beteiligten vermittle. Ihm schwebt die Funktion eines sogenannten City-Managers vor. Dabei handelt es sich um eine Art «Altstadtförderer», analog des erfolgreich wirkenden Schaffhauser Wirtschaftsförderers, der mit besonderen Kompetenzen ausgestattet werde. «In verschiedenen deutschen Städten konnten City-Manager bereits Erfolge erzielen», so Schlehan.

Schweizer Städte mit «Kümmerer»

Auch in der Schweiz kennt man die Stelle des City-Managers: So wurde sie bereits in mehreren Städten geschaffen. Zuletzt sprach sich die Frauenfelder Regierung Anfang Mai für einen Kredit von knapp 500'000 Franken aus, mit dem in den nächsten Jahren unter anderem ein City-Manager eingestellt werden soll.

Die Anstellung eines «Kümmerers» kann aber Konfliktpotenzial bergen. Etwa wenn es um die Finanzierung dieser Lösung geht. Auch bei der konkreten Ausgestaltung der Aufgaben und Kompetenzen scheiden sich die Geister. In St. Gallen hat man diesbezüglich Ende März einen Marschhalt eingelegt. Insbesondere bei der Finanzierung ist man sich in der Ostschweiz nicht einig. Auf die Frage, wer den City-Manager in Schaffhausen bezahlen soll, sagt Schlehan: «Die Antwort klar: Wer profitiert, soll bezahlen.» Und wer ist das? «Die öffentliche Hand, weil damit die Attraktivierung gesteigert wird und das Wohnortmarketing optimiert werden kann, aber auch die Immobilienbesitzer, der Tourismus und nicht zuletzt der entsprechende Unternehmer selber.» Es müsse ganz unmissverständlich klar sein, dass Nichtsmachen die Altstadt entleere. So verliere sie an Attraktivität, Investitionen würden wegfallen. «Ein riesiger Rattenschwanz ist die Folge.»

Quelle: Schaffhauser Nachrichten – Dario Muffler |  Mittwoch, 17. Juli, 2019