Weshalb Shopping in der Krise steckt

May 1, 2024

Bummeln ist out. Für Schweizerinnen und Schweizer ist Einkaufen heute kein Freizeitvergnügen mehr. Dieser Trend setzt den Handel unter Druck – auch in Schaffhausen.

Von Gianluca Scheidegger*

Seit Jahren durchlebt der Detailhandel turbulente Zeiten. Vor allem in der jüngsten Zeit. Die Coronakrise hat in vielen Geschäften ihre Spuren hinterlassen. Es kam zu massiven Umsatzeinbussen, Schliessungen und Insolvenzen. Und seither: geopolitische Ereignisse, globale Lieferkettenengpässe, Kostenexplosion bei Energie- und Rohstoffpreisen und akuter Fachkräftemangel. Der Handel scheint nicht zur Ruhe zu kommen.

Zeit wird zum entscheidenden Faktor

Überschattet von diesen globalen Ereignissen, kam es – unbemerkt von vielen Händlern – zu einer Entwicklung, die den Handel nachhaltig verändern wird. Es geht um den Konsum per se: Denn es sind die Konsumentinnen und Konsumenten, die den Handel jetzt in seine nächste fundamentale Krise zu stürzen drohen. Ich spreche nicht von der inflationsbedingten Konsumflaute, ein Aufwärtstrend ist bereits wieder erkennbar. Sondern von einer der aktuell grössten Herausforderungen in unserem Alltag: dem Umgang mit unserer Zeit.

«Im Durchschnitt würden die Befragten lieber zur Arbeit gehen als zu shoppen.»

Denn die Zeit ist gefühlt so knapp wie nie zuvor. Immer mehr Menschen stehen unter enormem Zeitstress, gerade die Jungen. Arbeit, Familie, Freunde, Freizeit – überall wird von ihnen mehr erwartet, ist mehr zu tun. Das zeigen unsere Befragungen, die wir am Gottlieb-Duttweiler-Institut unter 1500 Schweizerinnen und Schweizern durchgeführt haben.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter leidet häufig oder fast immer unter Zeitstress. Fast zwei Drittel geben an, dass der Zeitstress in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. Wenn knapp ein Drittel Tag für Tag einer Verpflichtung nach der anderen hinterherhetzt, Tendenz steigend, beeinflusst dies auch die Art, wie wir einkaufen, nachhaltig. Ja, es hat sie bereits fundamental verändert, wie unsere Befragungen zeigen.

Shopping ist unbeliebter als Arbeiten

Ihre wertvolle Zeit teilen die Menschen danach auf, wie viel Freude ihnen eine Aktivität macht und wie sehr sie ihnen das Gefühl gibt, etwas Bedeutsames zu tun. Und genau hier liegt das Problem von Shopping. Es macht der Mehrheit weder Spass noch gibt es ihnen Bedeutung im Leben. Danach gefragt, wie man am liebsten die Zeit verbringt, nimmt Shopping sogar einen der hintersten Plätze ein: Rang 16 von 18. Unbeliebter sind nur Pendeln und Hausarbeit. Im Durchschnitt würden die Befragten lieber zur Arbeit gehen als zu shoppen. Shoppen ist kein Spass mehr, Bummeln als Freizeitaktivität out.

Weil Einkaufen als eher mühsam wahrgenommen wird, kommt es für 85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer vor allem auf eines an: den Einkauf so schnell und effizient wie möglich hinter sich zu bringen. Nur etwa 3 Prozent wünschen sich mehr Zeit fürs Einkaufen und gerade mal 15 Prozent gehen noch gerne bummeln. Diese Einstellung zeigt sich auch im effektiven Verhalten: Die durchschnittliche Einkaufszeit in der Schweiz hat in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich abgenommen, von 139 auf 115 Minuten pro Woche.

Wege aus der Shoppingkrise

Firmen, die in diesem Umfeld finanziell erfolgreich sein wollen, müssen ihren Kundinnen und Kunden schnelles, effizientes Einkaufen ermöglichen und dafür sorgen, dass die investierte Zeit als angenehm und sinnvoll empfunden wird. In unserer Studie diskutieren wir verschiedene Lösungsansätze dazu. Die Studie steht kostenlos zum Download bereit – das Lesen kostet Sie jedoch Zeit. Wer sich das Lesen sparen möchte, ist herzlich zum Referat «Ausgebummelt: Auch in Schaffhausen?» eingeladen. Dieses findet am 2. Mai um 18.30 Uhr in der Rathauslaube Schafhausen statt.

* Der Wirtschaftswissenschaftler Gianluca Scheidegger ist Senior Researcher am Gottlieb-Duttweiler-Institut